100 Prozent Wien: Statistik ist langweilig

Gestern kam ich per Zufall und gänzlich unvorbereitet in den Genuss einer Produktion der Wiener Festwochen. Dem inszenierenden Rimini Protokoll eilt ja ein guter Ruf voraus. Sie arbeiten mit so genannten Experten der Wirklichkeit und selbst wenn sie sich Bühnentexte vornehmen, dramatisieren sie nicht diese selbst, sondern lassen Menschen ihre persönlichen Beziehungen zum Text in einer Art dokumentarischen Spiel reflektieren. Warum also nicht auch das Zahlenwerk des Statistischen Jahrbuchs auf die Bühne bringen?
Was als Idee ganz interessant klingt – nämlich der Statistik durch 100 prototypische Vertreter aller demografische Gruppen Wiens Gesichter zu geben  – wird spätestens nach dem Eröffnungsreigen zur Qual für die Zuseher. Da rennen die Darsteller bei Fragen wie „Sind Sie für die Wiederinführung der Todesstrafe?“ von „Ja“ nach „Nein“. Da heben sie grüne und weiße Taferl und signalisieren so Zustimmung oder Ablehnung zu gewissen Aussagen. Das hat dann bestenfalls den Charme einer Millionenshow. Ganz übel wird’s als auch noch eine Jazzband versucht, dem öden Treiben ein wenig Schwung zu geben. Fatima Spar and the Freedom Fries bringen beschwingten Konsens-Gipsy-Swing auf die Bühne und lassen das Unterfangen gänzlich in den Abgrund kippen. Am amüsantesten sind da noch die paar Kleinkinder, die – die Choreografie missachtend – unbeholfen auf der Drehbühne herumtollen. Dass Statistik durchaus mit ästhtischem Anspruch präsentiert werden kann zeigt das Programmheft. Das ist nämlich geschmückt mit Grafiken Otto Neuraths.
Details gibt’s hier.

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