„American Passages“ – Ruth Beckermann entnimmt der amerikanischen Gesellschaft Proben

Die Autorin und Filmemacherin Ruth Beckermann hat für ihren aktuellen Film „American Passages“ eine „assoziative Reise“ (so steht es im Pressetext) durch die USA unternommen. In den 120 Minuten wird allerdings nicht klar, was sie assoziiert.
Wie eine Forscherin entnimmt sie der amerikanischen Gesellschaft Proben, schüttelt sie in der Eprouvette und betrachtet sie mit interessiertem Blick. Da sind einige berührende Momente dabei. Am stärksten ist die Anfangsszene. Sie zeigt Afroamerikaner in Harlem, die 2008 den Wahlsieg Barack Obamas feiern. Man spürt, dass der Moment eine Art Erlösung für sie darstellt. Diese positive Energie und diese Euphorie wird allerdings schnell gebremst. Beckermann ist durch insgesamt 11 Bundesstaaten gereist, hat Gefängnisse besucht, Obdachlose, Charity-Ladies, Spieler, junge desillusionierte Rückkehrer aus dem Irak-Krieg vor die Kamera geholt. Sie betrachtet alle mit einem sehr interessierten Blick und man spürt, dass sie sich sehr zurückhält. Sie ist Europäerin und maßt sich nicht an, zu interpretieren, was sich vor der Linse (oder in der Eprouvette) abspielt. Manches ist ganz unfreiwillig komisch, wie etwa die Verzückung junger Menschen beim Absingen religiöser Lieder in einem Stadion oder eine billig arrangierte Gedenkfeier für gefallene Soldaten. Anderes wie etwa die Szene in einem heruntergekommen schwarzen Wohnviertel transportiert tiefste Hoffnungslosigkeit und wieder anderes ist fast surreal, etwa der greise Spieler in Las Vegas.
Es gibt nur eine Nation auf der ganzen Welt, die von sich behaupten kann, dass sie einen Traum hat. Für mich ist das einer der Schlüsselsätze in dem Film. Die Filmemacherin hat diesen Traum in keinster Weise greifbarer gemacht. Sie hat ihn aber auch nicht zerstört.
Manchmal hätte ich mir aber doch gewünscht, dass sie ihre Rolle als Forscherin intensiver wahrnimmt und die Reagenzgläser nicht nur interessiert schüttelt. Auf alle Fälle hätte ich mir eine konzentriertere Kamera-Arbeit gewünscht. Unschärfen und angeschnittene Motive mögen durchaus Stilmittel sein. Wenn man sie wahllos einsetzt, wirken sie, als wären sie passiert.

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