Unfaire Gadgets? Keine Sorge, wir verpassen die Zukunft nicht!


Da hängt es: Ein Handy;  feinsäuberlich in seine Einzelteile zerlegt und getrennt. Gleichzeitig hängt da ganz schön viel schlechtes Gewissen. Wir alle wissen, dass entlang des gesamten Produktlebenszyklus unserer elektronischen Spielzeuge vieles im Argen liegt. Und dennoch wollen wir die Dinger haben. Am besten immer die neuesten Modelle. Mit ihnen sind wir nämlich schneller in der Zukunft. Das stimmt und es stimmt auch nicht.
Wir kennen die Berichte von unmenschlichen Arbeitsbedingungen beim Abbau der Rohstoffe, die in unseren Gadgets stecken. Wir wissen auch, dass der Krieg im Kongo zu einem beträchtlichen Teil damit finanziert wurde. Uns ist bekannt, dass die Arbeitsbedingungen in den Fertigungsstätten in Südostasien nicht gerade menschenfreundlich sind. Wie denn auch? Die Produktionskosten für das iPhone 5 betragen laut iSupply gerade mal 8 US-Dollar. Die Arbeiten werden von Menschen erledigt, weil die flexibler einsetzbar sind als Maschinen. Diese Menschen verdienen im Vergleich zu anderen in der Region nicht einmal schlecht. Dafür müssen sie aber arbeiten wie Maschinen. Hinzu kommt, dass die Gadgets nur mehr in den seltensten Fällen austauschbare Ersatzteile haben. Wenn das Ding kaputt ist, ist es kaputt. Sondermüll. Es kann bestenfalls noch feinsäuberlich getrennt und geschreddert werden wie auf dem Foto oben. Das ist insofern egal als wir ja ohnehin schon das neueste Modell haben wollen; haben müssen. So sagt es uns das Marketing.

“One of the biggest problems with technology is that it’s largely fashion-driven: by the time new hardware goes on sale, everybody’s already focusing on the next generation”,

schreibt Gary Marshall auf techradar. Und er hat recht. Habt ihr euch schon mal überlegt, wie Apple das macht? Zweimal im Jahr werden neue Produkte vorgestellt und jedes zweite Release des iPhone ist ein „Major Release“, den man haben „muss“, um mitreden zu können. Um dabei zu sein. Andere Hersteller halten es ähnlich bzw. lassen sich von Apple vor sich hertreiben. (Darüber habe ich mich im September schon einmal alteriert.)

Entspannen bitte!

Also, wir wissen das alles. Wir würden auch gerne anders, aber es fehlen die Alternativen. Wir wollen – ja wir müssen –  in die Zukunft! Gute Technologie – richtig eingesetzt – macht uns ein Stück weit freier, hilft Hierarchien und Zugangsbarrieren zu Wissen abzubauen; vernetzt uns mit Menschen und Rechnern auf der ganzen Welt. So die idealistische Vorstellung. Die pragmatischere Version davon besagt, dass nicht jede technologische Neuerung uns automatisch in diese Zukunft befördert. Manchmal ist sogar das Gegenteil der Fall (als Stichworte seien hier nur „Tracking“ und „Tracing“ genannt). Die Emanzipation des oder der einzelnen durch Digitalisierung und Vernetzung ist gar nicht so sehr von der Hardware abhängig wie uns das die Marketing-Wuzzis  von Apple und Co suggerieren. Und es ist noch lange kein Konsumverzicht, wenn wir nicht alle Release-Sprünge mitmachen. Wir kommen auch so in die Zukunft.

Informieren bitte!

Am 29. Chaos Communication Congress hat  Sebastian Jekutsch vom  Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FifF) die Frage gestellt: „Sind faire Computer möglich?“

Die Antwort in aller Kürze: Ja, sie sind möglich, aber wir sind erst ganz am Anfang des Weges dorthin. Es gibt gute und wichtige Initiativen, wie etwa die Computermäuse von Nager-IT oder eben das Projekt FairPhone, das Joe Mier beim nächsten twenty.twenty am 13. Februar 2013 vorstellen wird. Es gibt auch einige darüber hinausgehende Ideen wie etwa die der Energiegewinnung durch Bedienung eines Touchscreens  (wie etwa beim Eco Pad von Fujitsu).
Es gibt also Alternativen bzw. wird es in absehbarer Zeit noch mehr geben. Wenn wir in Richtung Zukunft wollen, dann sollten wir die nutzen. Und wo es noch keine Alternativen gibt, dort können wir zumindest die Hersteller unterstützen, die nicht ganz so „totally evil“ (Gery Marshall) sind wie andere. Da helfen diverse Ratings (wie etwa die von O2 oder Vodafone)  schon ein Stückchen weiter. (Mit dem politischen Druck, den ich in meinem Post vom September angesprochen habe, würde es noch deutlich schneller gehen.)
 
[Ach ja! # 1] Das geschredderte Handy habe ich von A1 bekommen. Dort gibt es nämlich die Möglichkeit, alte Geräte recyceln zu lassen. 
[Ach ja! # 2] Dieser Text ist mein Beitrag zur twenty.twenty Blogparade „Mündiger Gadget-Konsument – was nun?“ 
[Ach ja! #3] Auf der Website von twenty.twenty gibt’s ein Voting, wie viel mehr Euch faire Gadgets wert wären. Mitmachen!

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