Verantwortung? Entschuldigung!

Weil’s mir heute im Rahmen meiner Lohnschreiberei aufgefallen ist: Ich habe immer wieder mit „Verantwortung“ zu tun. So gut wie jedes Unternehmen hat diesen Begriff als Menüpunkt auf seiner Webpräsenz stehen. (Ich darf auch ab und zu Texte für diese Menüpunkte schreiben.) Wie es um diese Verantwortung bestellt ist, lässt sich ganz gut am sprachlichen Umgang mit begangenen (gemachten) Fehlern erkennen.
Stellt Euch also vor: Da ist ein Fehler und die Person, der der Fehler gehört, sieht ihn ein und möchte ihn auch offiziell eingestehen.
Im deutschen Sprachraum klingt das dann so:

„Es tut mir leid.“

oder

„Ich entschuldige mich.“

Auf Englisch würde das dann in etwa so klingen:

„I am sorry!“

Der Unterschied?

1. „Es tut mir leid.“

Hier erkennt Subjekt 1, dass ein Fehler vorliegt. Die Ursache (bzw. die Verantwortung) liegt aber irgendwo bei einem nicht näher bekannten „Es“ und dieses ist auch noch so frech, dem Subjekt 1 Leid anzutun. Was kommt bei Subjekt 2 an? Richtig! Subjekt 1 ist eine arme Sau!

2. „Ich entschuldige mich.“


Richtig müsst es ja lauten: „Ich bitte um Entschuldigung!“. Das sagen aber die Wenigsten. Viel gebräuchlicher ist, dass sich die Verursacher (die 1er Subjekte) gleich selbst von der Schuld befreien, sich also ent-schuldigen. Das geschädigte Subjekt 2 geht leer aus.

3. „I am sorry!“


Die gebräuchlichste Art, im Englischen um Entschuldigung zu bitten ist, „sorry“ zu sein. Also: Subjekt 1 (der Verursacher) ist „sorry“ und schiebt die Verantwortung nicht auf irgendein „Es“ ab, sondern behält sie. Der Zustand des „Sorry-“Seins ist möglicherweise ebenso schmerzvoll, wie das „Leid“, das „Es“ dem Subjekt 1 angetan hat, er hat aber eine andere Qualität. „Sorry“ und „sorrow“ haben nämlich denselben Wortstamm. Und um Subjekt 1 die Sorge zu nehmen braucht es das geschädigte Subjekt 2. Nur dieses kann Subjekt 1 von der quälenden Sorge befreien, dass der gemachte Fehler unwiderruflichen Schaden verursacht hat.
Ich denke, dass ich das bis hierher ganz logisch argumentieren konnte. Der Nachweis, dass die katholische Tradition nicht ganz unbeteiligt an der Entwicklung dieses Sprachgebrauchs ist, wird nicht so leicht zu erbringen sein. Fest steht jedenfalls, dass der sprachliche Umgang der Anglophonen mit Fehlern mehr mit ernst gemeinter Verantwortung zu tun hat.
P.S. Subjekt 1 und Subjekt 2 könnten auch weiblich sein.

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