Wolfgang Ambros: Allan wia a Stan

Am Anfang stand die Idee, meine Biografie anhand von Liedern zu erzählen, die mein Leben säumen wie die Steine, die in ärmeren Ländern die Fahrbahnränder markieren. Musik war immer schon unglaublich wichtig in meinem Leben. Früher habe ich mich, meine Haltung, meine Einstellungen stark über die Musik definiert, die ich gehört habe. Das ist heute nicht mehr so. Ich habe zu viele dieser Steine gesammelt, um daraus noch einen Weg oder auch nur eine Richtung ableiten zu können. Daher habe ich auch die Idee verworfen, eine Geschichte zu erzählen. Es sind viele kleine Geschichten. Stimmungen. Erinnerungsfetzen wie dieser hier.
Ich war ein verträumter, milchgesichtiger Jüngling von vielleicht zwölf oder dreizehn Jahren. Meine Eltern sind nie mit mir auf Urlaub gefahren. Die Weite der Welt konnte ich nur erahnen. Der Lautsprecher meines Kassettenrekorders erzählte mir in Mono (!) davon. Und Bob Dylan war mein Held. Für den hat es damals nicht gereicht. Aber für Wolfgang Ambros. Der war in den frühen Jahren seiner Karriere ja so etwas wie der österreichische Statthalter von „His Bobness“. Eines Tages erstand ich von meinem Taschengeld die Eintrittskarte für ein Ambros-Konzert in Linz. Dort wollte ich hinfahren. Alleine. Meine Freunde interessierten sich nicht für so etwas. Meine Mutter war in Sorge. Ihr kleiner, verträumter Bub alleine bei einem Rockkonzert (oder was sie dafür hielt)! In einer Großstadt! (Für sie ist Linz eine Metropole und ich sah das damals auch so.) Sex! Drugs! Und ihr Söhnchen mittendrin! Die Raiffeisen-Kassa (vielleicht war es auch die Sparkassa) hatte damals so einen Jugendclub. Der organisierte Busfahrten zu Konzerten in Linz. Das war damals ungefähr zwei Lichtjahre von meinem Heimatort entfernt. (Heute 45 Kilometer). Meine Mutter war immer schon eine praktische Frau. Sie traf Vorkehrungen für den Fall, dass ich den Bus nach dem Konzert versäumen sollte. Und zwar nähte sie mir einen Tausendschillingschein in der Brusttasche des Hemdes ein, das ich als Konzertoutfit gewählt hatte. Damit konnte ich im Notfall ein Taxi nehmen, um die zwei Lichtjahre zurück in meinen Heimatort zu fahren.
Ambros spielte damals auch die ins Wienerische übertragene Version von „Like A Rolling Stone“. Ich habe aus Leibeskräften mitgesungen. Alleine. Auf meinem ersten Rockkonzert. Den Tausender habe ich meiner Mutter in der Nacht auf den Küchentisch gelegt. Sie war schon im Bett als ich heimkam.

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