Jessica Hausners Lourdes: Der Handel mit der Hoffnung

Lourdes (Pressefoto)
Lourdes (Pressefoto)

Lourdes ist das Disneyland der Gelähmten, der unheilbar Kranken, der Verzweifelten und Vereinsamten. In anderen Vergnügungsparks wird mit Unterhaltung gehandelt. In Lourdes mit der Hoffnung. Zu den leeren katholischen Ritualen, die im beliebtesten Wallfahrtsort der westlichen Hemisphäre praktiziert werden, kann man stehen wie man will. Die Verzweiflung der Menschen, die in dem lächerlichen Theater ihre Zuflucht suchen, muss man aber ernst nehmen. Und dass eine junge Frau, deren Körper schwer von Multipler Sklerose gezeichnet ist, die nahezu bewegungsunfähig ist und die den Endpunkt des Krankheitsverlaufes nur zu gut kennt, nur mehr auf ein Wunder hoffen kann, ist nahe liegend.
Jessica Hausner ist mit ihrem mehrfach preisgekrönten Film das Kunststück gelungen, die triste Atmosphäre des französischen Religions-Supermarktes in kühlen Bildern einzufangen ohne auch nur einmal zu werten. Das wäre für sich schon ein sehenswerter Dokumentarfilm. Der Aufenthalt einer Gruppe von mehr oder weniger verzweifelten Menschen und ihrer Pfleger in Lourdes ist allerdings nur Kulisse für viel elementarere Betrachtungen. Hausner lässt die Hoffnungen ihrer Hauptfigur nicht unerfüllt. Christine – gespielt von Silvie Testud – erlangt ihre Bewegungsfähigkeit wieder zurück. Das wirft zuerst einmal eine groteske Maschinerie in Gang, die eruieren muss, ob es sich hier um eine kurzfristige Besserung oder um ein echtes Wunder handelt. Dann tauchen in der Gruppe Fragen auf: „Warum sie und nicht jemand anderer?“, „Zeigt sie sich der erwiesenen Gnade auch würdig?“. Eifersucht und Angst schleicht sich in die kleine Gesellschaft ein.
Lourdes ist ein sehr stiller Film. Hausner seziert die Szenen mit kühlem, distanzierten aber umso präziseren Blick. Es ist ihr nicht hoch genug anzurechnen, dass sie auf die Inszenierung des Wunders an sich verzichtet. Noch höher ist ihr anzurechnen, dass sie das latente Grauen und die Tristesse immer wieder mit feinem Humor versetzt. Der Schlagerabend in einem Hotel mit 70er Jahre Resopal-Charme am letzten Tag des Lourdes Aufenthalts der Reisegruppe ist – was das betrifft – ein wirklicher Höhepunkt.
Der Film hat unter anderem den Wiener Filmpreis 2009 bekommen und den Firesci-Preis der internationalen Filmkritik bei der Biennale in Venedig. Was mich aber doch ein wenig wundert: Er wurde auch von der „ökumenischen Jury“ sehr wohlwollend aufgenommen. Dass ein Film über das katholische Thema des Wunders Religionsskeptiker (wie mich) und religiöse Menschen gleichermaßen anspricht ist wohl das bislang größte Verdienst dieser Regisseurin.
Lourdes läuft ab 11. Dezember in ganz Österreich.
Die Website zum Film: http://www.lourdes-derfilm.at/

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