Fragezeichen statt Kreuz – für eine offene Diskussion in Schulklassen

Das gestrige Votum in der Schweiz hat wieder einmal gezeigt, wie sehr Symbole das allgemeine Verständnis von Politik prägen. Vorab: Über die Entscheidung der Kantönli-Kleingeister kann man nur entsetzt sein. Das Verbot von Turmbau als Maßnahme gegen die Radikalisierung muslimischer Bevölkerungsgruppen hoch zu stilisieren ist schlichtweg naiv, die dahinter liegende Gesinnung brandgefährlich. Mir geht es aber um ein anderes Symbol: nämlich das Kreuz. Und vor allem um die Begründung für einen meiner Tweets, der vor einigen Tagen recht rasch weiter verbreitet wurde.

Kürzlich sorgte ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auch in Österreich für Aufsehen. Die Richter waren zu dem Schluss gekommen, dass das Anbringen bestimmter religiöser Symbole das Recht von Eltern beschränke, Kinder in Übereinstimmung mit ihren eigenen Überzeugungen zu erziehen. Geklagt hatte eine Italienerin, die ihre Kinder in Räumen ohne Kruzifix unterrichten lassen will.

Die Reaktionen hierzulande waren in ihrer Reflexhaftigkeit vorhersehbar: Atheisten und Freidenker jubelten. Die verstockten Katholen sahen den Untergang der Zivilisation heraufdämmern und Österreichs ranghöchster Wertebewahrer, Kardinal Schönborn erklärte das Urteil für vollkommen inakzeptabel. (Und stellte sich damit auf eine Ebene mit Provinzpolitikern in Kärnten. – Zweisprachige Ortstafeln sind auch so ein Symbol…)

In einem Club2 am 18. November zeigte sich genau das erwartete Bild. Symptomatisch für die Qualität der Diskussion hierzulande. Auf der einen Seite diejenigen, die wortreich das gesamte auf christlichem Fundament gebaute Abendland gegen das Böse verteidigen mussten (und sich dabei in partieller Blindheit gegenüber den objektiven Verfehlungen ihrer Kirche übten) und auf der anderen Seite diejenigen, die dem Christentum gegenüber kritisch eingestellt waren.

Dazwischen Werner Schneyder, ein sträflich ignoranter Moderator, der eine Muslimin mehrfach als Islamistin bezeichnete, eben diese muslimische Religionslehrerin und ein brillanter Verfassungsrechtler.

Werner Schneyder hat sich in der Diskussion selbst disqualifiziert. Der Verfassungsrechtler Mayer argumentierte gekonnt – und nicht nur formaljuristisch. Seine historische Herleitung einer „modernen“ Gesellschaft war überzeugend: Viele Errungenschaften, die heute zu einem breiten Verständnis von Gesellschaft und Politik zählen, seien gegen den Widerstand der katholischen Kirche und gegen die viel beschworene christliche Tradition durchgesetzt worden. Die Wurzeln der Demokratie sind in der (griechischen) Antike und nicht im Christentum zu suchen. Bis heute relevante Denkströmungen wie Aufklärung, Sozialismus und und und befanden sich in krasser Opposition zur christlichen Weltanschauung und deren weltlicher Exekutoren. Warum erziehen wir also unsere Kinder unter dem Symbol des Kreuzes? Verpflichtend und nahezu ohne Ausnahme.

Ich selbst habe zwei Kinder (eines davon bereits schulpflichtig) und ich wäre geneigt, eine ähnliche Klage wie die italienische Mutter einzubringen, die zum Urteil der Straßburger Richter geführt hat. Warum? Weil ich in dem Symbol an der Wand des Klassenzimmers meiner Tochter eine unzulässige Vereinfachung, eine verkürzte Argumentation unserer geistesgeschichtlichen Herkunft und vor allem eine vollkommen falsche Zielrichtung für unsere Zukunft und die Position meiner Tochter in der Gesellschaft sehe.

Was mich aber am meisten irritiert hat, war die Position von Monika Troschl, der islamischen Religionslehrerin im Club 2. Sie sprach sich tendenziell für Kreuze in Schulklassen aus. Ganz einfach, weil es Fragen hervorrufe. Fragen nach Werten, nach dem Wohin. Und das war dann auch der Ausgangspunkt für meinen Tweet „Hängt Fragezeichen statt Kreuzen in den Schulklassen auf!“ Ich möchte, dass meine Tochter Fragen stellt. Sie wird von mir nicht alle Antworten bekommen, sie wird in der Schule nicht alle Antworten bekommen. Sie wird lernen (müssen), dass es Normen gibt. Sie wird auch lernen, dass Normen in Gesellschaften diskursiv verhandelt werden können. Und sie wird (hoffentlich) lernen, dass Dogmatismus dem Intellekt nicht förderlich ist. Was sie jetzt schon kann, ist Fragen stellen. Die Fragen einer 7jährigen sind nicht immer bequem. Trotzdem (oder gerade deswegen): Hängt Fragezeichen statt Kreuzen in Klassenzimmern auf!

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