Josef Winkler: „Die Realität so sagen, als ob sie trotzdem nicht wär oder Die Wutausbrüche der Engel“

Meine kurze Besprechung dieses Buches des von mir verehrten Josef Winkler ist in der 123sten Ausgabe des Magazins für Glamour und Diskurs the gap erschienen:

Josef Winklers Werk dreht sich um ganz wenige Themen und die liegen nicht unbedingt in der Einflugschneise des literarischen Mainstream. Die präzise Sprache und die kühle Distanziertheit mit der seine Stoffe und sich selbst umkreist, haben ihn dennoch zu einem der wichtigsten österreichischen Schriftsteller der Gegenwart gemacht. Aus der Dankesrede für den Georg Büchner Preis 2008 ist dieses Buch entstanden. Darin zeigt Winkler, wie eng sein Leben und seine Literatur verwoben sind und welche Anstrengungen er unternimmt, seine Beobachtungen auf eine künstlerische Ebene zu heben. Er führt im Schnelldurchlauf durch die Stationen seiner Biografie: vom kreuzförmigen Kärntner Dorf Kamering über Rom, zu den Verbrennungsstätten im indischen Varanasi und immer wieder zurück nach Kärnten. Er greift die einprägsamsten Bilder seines Lebens auf, etwa den Doppelselbstmord zweier Jugendlicher in seinem Heimatdorf oder den sturzbetrunkenen Mann, den seine Frau in den Stall sperrte, wo ihm Schweine die Hoden abfraßen. Und er widmet sich Künstlern, die ihn inspiriert haben, etwa Jean Genet oder Chaim Soutine. Eine Selbsterkenntnis in diesem aus- und abschweifenden Selbstporträt liefert einen Schlüssel für das Verständnis von Winklers Werk. Zehn Jahre nach dem Erscheinen von „Domra – Am Ufer des Ganges“ fiel ihm auf, dass es „kein Entrinnen mehr vor der katholischen Kirche gibt, denn selbst die hinduistischen Einäscherungsrituale hatte ich im Ton der katholischen Litanei beschrieben.“
(Erschienen 2011 bei Suhrkamp)

Nach oben