Maria Fekter, nimm mich! – Ein offener Brief

Sehr geehrte Frau Bundesminister,
ich habe noch nie einen Brief an eine Ministerin geschrieben und bin nicht sicher, ob ich nicht schon mit der Anrede im Fettnäpfchen herumstolpere. Aber ich habe mal in einem Kommunikations-Seminar gelernt, dass es hilft, wenn man zu Beginn einer Kommunikation die Gemeinsamkeiten hervor streicht, eine Basis schafft. Da fällt mit zuallererst unser gemeinsamer „Hintergrund“ ein. Wohlgemerkt, der ist kein „Migrationshintergrund“. Immerhin: wir beide kommen aus Oberösterreich. Darüber hinaus könnten wir uns wohl blendend über „lebt (zumindest teilweise) und arbeitet (recht viel) in Wien“ unterhalten. Doch deswegen schreibe ich keinen offenen Brief an Sie.
Der Grund für meinen Brief ist ein ganz einfacher Deal, der Sie endlich vom formaljuristischen Problem „Zogaj“ befreit. Ich verstehe, dass Sie hart bleiben müssen, weil dem dauerhaften Aufenthalt dieses Mädchens hier in Österreich die juristische Grundlage fehlt. Natürlich gehört sie, die ihren Hintergrund nicht in Oberösterreich sondern in der Migration hat, nicht hier her. Formal gesehen. Menschlich betrachtet ist jede Frau und jeder Mann klarerweise zu bedauern, wenn sie oder er kein Leben mehr im eigenen Land sieht, davon läuft und woanders Zuflucht sucht. Noch menschlicher betrachtet ist es natürlich verständlich, dass ein Kind, das im Zufluchts-Land der Eltern eine Schulbildung genossen hat, nicht so einfach wieder in ein Land zurückgeschickt werden kann, das maximal ihre Eltern mit dem Heimatbegriff belegen würden. Aber Recht muss Recht bleiben und ich bin vermutlich genau wie sie nach Feierabend menschlicher als in meinem Job.
Jetzt hätte ich aber eine Idee, die zwar meine berufliche Karriere beendet, aber vielleicht die von Arigona Zogaj absichert. Das Mädchen ist jung, mittlerweile gut gebildet und sie hat Potenzial, hier in Österreich ordentlich Steuern zu zahlen. Die zahle ich zwar auch, aber ich  glaube, dass ich auch im Kosovo irgendwie durchkommen würde. – Jedenfalls aber besser als Arigona Zogaj. Sehr geehrte Frau Bundesminister, was halten Sie von dem Vorschlag? Sie schieben mich in den Kosovo ab und Arigona bleibt hier.
Ich möchte betonen, dass ich Arigona Zogaj nicht persönlich kenne, dass ich auch nicht auf die platte Darstellung des Mädchens als rehäugiger Sympathieträger hereinfallen möchte. Was ich möchte, ist schlichtweg, dass Recht und Menschlichkeit hier in Österreich irgendwie zueinander finden. Ich nehme jetzt eine Interpretation vorweg. Recht könnte sein, dass für jeden der kommt auch jemand gehen muss. Menschlich wäre, wenn die jeweils Schwächeren in dem Spiel die besseren Voraussetzungen vorfinden würden.
So glaube ich, dass ich mit doch einigen guten Freunden, Bekannten hierzulande (die mich hoffentlich in unterstützen) und noch viel mehr ortsunabhängigen Ideen auch im Kosovo irgendwie durchkommen könnte. Jedenfalls würde ich es schaffen, als Austauschmensch im Kosovo irgendwie an der Oberfläche zu bleiben. Arigona Zogaj hätte es ungleich schwerer. Sie zu ihrem Migrationshintergrund zurück zu führen heißt de facto, sie in einen Abgrund zu stoßen.
Sehr geehrte Frau Minister, ich bin kein Abenteurer, habe zwei Kinder zu versorgen und wünsche mir auch nicht, dass ich in ein Land gehen muss, in dem ich in im Winter ungeheizten Häusern schlafe wie Arigonas Brüder, dessen Sprache ich nicht verstehe und das mir genauso wenig bedeutet wie Arigona. Trotzdem: Ich bin fast 40, kann mich in grenzwertigen Situationen vielleicht besser durchsetzen als ein junges Mädchen. Und ich bin bereit diesen Schritt zu gehen. – Keine Suizidgefahr! Bitte schieben Sie mich in den Kosovo ab und lassen Sie Arigona Zogaj und ihre Mutter hier! Sie werden es nicht bereuen. Ihre Statistik stimmt weiterhin. Arigona wird eine gute Steuerzahlerin und vielleicht kann ich im Kosovo auch irgend was tun, was dort sinnvoll ist. Für Arigona Zogaj ist der Kosovo – sollte sie dorthin müssen –  jedenfalls mehr Migrationsabgrund denn -hintergrund.
Was halten Sie von dem Deal? Die Einwandererquote bleibt unbeeinflusst. Recht bleibt Recht und irgendwie ist es viel menschlicher, wenn ein glatzköpfiger Mann um die 40 statt einem jungen sympathischen Mädchen in den Kosovo gehen muss.
Schöne Grüße,
Werner Reiter

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