Precious – Wertvolles Schauspiel im Kino-Mainstream

Mo'Nique als Monster von einer Mutter  © PROKINO Filmverleih GmbH
Mo'Nique als Monster von einer Mutter © PROKINO Filmverleih GmbH

Die Geschichte zu „Precious“ ist schnell erzählt. Eine schwer übergewichtige 16jährige erlebt so ziemlich jedes Übel, das einem Mädchen in einem Ghetto in New York erfahren kann: Inszest samt daraus resultierender Schwangerschaft, ein Kind mit Down-Syndrom, Erniedrigung durch eine sadistische Mutter und Altersgenossen, zweite Schwangerschaft (das Kind ist wieder vom eigenen Vater) samt HIV-Infektion. Während all dies auf das Mädchen einprasselt, versucht es seine Sprache zu finden und – wie könnte es anders sein – entdeckt, dass Bildung die einzige Möglichkeit ist, aus dem Sumpf heraus zu kommen.
Dieser Film hat ein Anliegen. Und das wird transportiert von großen Namen: Talk-Quotenbringerin Oprah Winfrey hat produziert, das Drehbuch stammt vom Oscar-prämierten Drehbuchautor Geoffrey Fletcher, Mariah Carey gibt die verständnisvolle Lehrerin und Lenny Kravits den Krankenpfleger.
Dass Lee Daniels‘ Film trotz simplem Plot und geballter Mainstream-Power nicht vollends zum spekulativen Frontalangriff auf die Tränendrüsen gerät, ist vor allem zwei Personen zu verdanken: Zum einen der 26jährigen Hauptdarstellerin Gabourey Sidibe, die anfangs apathisch durch die Szenerie stampft und im Film langsam Worte für den Schmerz und damit ihre Autonomie findet. Und zum anderen Mo’Nique, die als abgewrackte Mutter grandious zwischen dumpf-brutaler Ghetto-Dummheit und ohnmächtiger Verzweiflung pendelt. Sie zeigt in vor allem in zwei Szenen ihr großes Spektrum an schauspielerischer Leistung. Einmal ist das eine grandiose Schimpftirade, die in Sprache und Tonalität auf gelernte Mitteleuropäer einen sehr authentischen Eindruck macht. Der zweite Höhepunkt ist ihre rotzig vorgebrachte Lebensbeichte.
Der Rest des Films bemüht sich redlich, das Anliegen zu transportieren und beim Seiltanz zwischen Sozialstudie und leicht verdaulichem Kommerz-Kino nicht abzustürzen. So manche Szenen wie etwa die in Zuckerwatte gepackten Tagträume der Hauptfigur lassen ihn allerdings gefährlich wanken.
Ein paar Gedanken zur ästhetischen Qualität des Films sind in Christians Köllerers Blog
nachzulesen.

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